Es ist inzwischen landbekannt: in den letzten Jahren nahm der Autoverkehr im Innern Echternachs unerträgliche Ausmaße an. Auch die Ursachen sind bekannt: neben dem für ein Touristenzentrum nicht unerheblichen Lokalverkehr verpesten der Transit unzähliger Lastwagen und Autobusse …
ZWEI JAHRE BÜRGERINITIATIVE « AKTIOUN FIR DE CONTOURNEMENT AN DEN TUNNEL » (ACT)
EIN RÜCK- UND AUSBLICK
PIERRE LECH (veröffentlicht 1994)
Es ist inzwischen landbekannt: in den letzten Jahren nahm der Autoverkehr im Innern Echternachs unerträgliche Ausmaße an. Auch die Ursachen sind bekannt: neben dem für ein Touristenzentrum nicht unerheblichen Lokalverkehr verpesten der Transit unzähliger Lastwagen und Autobusse, die alltägliche Durchfahrt Hunderter Berufspendler und die langen Schlangen deutscher Billigbenzinkunden mit ihrem Motorenlärm und ihren Auspuffgasen vor allem die Luxemburger-, die Maximilian-, die Roam- und die Wasserbilligerstraße. Kein Wunder, daß deren gestreßte und verärgerte Anrainer immer lauter nach einer Verbesserung der katastrophalen Verkehrslage rufen.
Als im Frühjahr 1992 auch noch das Gerücht über die bevorstehende Niederlassung eines Großkaufhauses am neuralgischen Knotenpunkt Echternachs, knapp 100 Meter von der Kreuzung Knepper entfernt, in Umlauf kam und kurz danach vom Schöffenrat bestätigt wurde, bedeutete diese Nachricht den sprichwörtlichen Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte: die betroffenen Bürger begannen sich zu wehren. Der Widerstand äußerte sich zuerst spontan und vereinzelt. Als erste ließ Madame Nina Gretsch auf ihrem Terrain « op der Roam » ein unübersehbares Transparent mit der Aufschrift « Emgehungs-strooss fir Iechtemach – Wini? » aufstellen. Doktor Georges Arnold schloß sich mit artistisch gemalten Protestschildern an. Dr. Jules Berg ließ durch den Verkehr bedingte Schadstoffbelastungen in seinem Garten an der Luxemburgerstraße untersuchen. Ein Interview in der « Nei Zeidung » im Juni 1992 eröffnete den Reigen der öffentlichen Unmutsbekundungen, « 25 geplagte und trotz allem hoffnungsvolle Bürger » schrieben einen offenen Brief an den Bürgermeister der Stadt und forderten ihn auf, « endlich die Pläne für den Tunnel und die Umgehungsstraße Echternachs aus dem Schreibtisch hervorzuholen und die lang erwarteten Entscheidungen im Gemeinderat zu treffen« .
Eine ungeschickt formulierte Presse-Antwort Jos Scheuers trug nicht dazu bei, die erregten Gemüter zu beruhigen. Im Gegenteil: die « Action pour le Contournement et le Tunnel » wurde gegründet, eine parteipolitisch neutrale Bürgerinitiative ohne feste Strukturen und Statuten, die ihre repräsentative Sprecherrolle durch eine Unterschriftensammlung legitimierte. Diese wurde in wenigen Tagen von 1.250 Echternacher Bürgern unterzeichnet, die sich, wie in einer Resolution vom 25. August 1992 zu lesen stand, « klar und deutlich für eine beschleunigte Verwirklichung der Echternacher Umgehungsstraßen aussprachen » und sich « kategorisch gegen die verkehrstechnische Verschlechterung wehrten, die durch die geplante Einpflanzung eines Großkaufhauses (Cactus) in der heillos überlasteten rue des Remparts herbeigeführt werden soll ».
In die Enge getrieben lud Bürgermeister Scheuer zu einer Aufklärungsversammlung mit Straßenbau- und Verkehrsminister Robert Goebbels am 19. November 1992 in den Festsaal des Lycée Classique ein. Die Ausführungen des Ministers und des Straßenbaudirektors wirkten ernüchternd auf die zahlreichen Zuhörer. Eine Stellungnahme des ACT vom Januar 1993 drückt die Enttäuschung so aus: « Die Bürger Echternachs wurden von Transportminister Goebbels bitter enttäuscht… Statt präzise und konkrete Vorschläge zur Lösung der unerträglichen Verkehrsmisere in ihrer Stadt zu erfahren, bekamen sie nichts anderes zu hören als fadenscheinige Erklärungen, billige Beschwichtigungen und verdeckte Beschuldigungen, aber keine einzige Zusage in bezug auf die seit langem geforderten und seit mehr als 20 Jahren geplanten Umgehungsstraßen ».
Die Reaktion der Bürger ließ nicht auf sich warten, die Proteste weiteten sich aus: Dutzende von Transparenten mit unmißverständlichen Aufschriften verkündeten blutrot von den Hausfassaden und aus den Vorgärten der entnervten Einwohner die Verärgerung über die Untätigkeit der verantwortlichen Autoritäten. Pressebriefe erschienen in allen Zeitungen, Flugblätter zirkulierten, eine Hei-Elei-Sendung versuchte aufzuklären, ACT-Aufkleber riefen zu Wachsamkeit und Protestbereitschaft auf.
Die Politiker wurden aufgeschreckt: die DP-Opposition hatte schon im Juni 1992 den Schöffenrat über die Dringlichkeit von Entlastungsstraßen interpelliert und wiederholte nun ihre Aufforderung nach einer « verpflichtenden Absichtserklärung » zusammen mit einer von allen Parteien gebilligten « Trassenführung ». Vom Straßenbauministerium wurde eine Impaktstudie für mehrere Varianten einer Umgehungsstraße in Richtung Luxemburg in Auftrag gegeben, auch angefertigt, verschwand aber bald wieder in der berüchtigten Verwaltungsschublade. Jos Scheuer erkundigte sich in einer parlamentarischen Anfrage nach einem « Flüsterbelag » für die Durchfahrtsstraßen Echternachs, um wenigstens die Lärmbelästigung zu vermindern. Im Schöffenrat wurde die im voraus ersichtliche Totgeburt einer Charlys-Bunn-Umgehung als Ablenkungsmanöver hervorgeholt.
Alles nur Augenwischerei? Der Mißmut der ACT-Mitglieder erreichte seinen Siedepunkt, als im Mai 1993 bekannt wurde, daß in der Abgeordnetenkammer mit der lautstarken Zustimmung unserer Ost-Deputierten der prioritäre Bau einer Umgehungsstraße für das Dörfchen Bous gestimmt wurde, ohnehin an der schon geplanten Autobahn nach Saarbrücken gelegen. Am 26. Juli 1993 holte die ACT zu einem spektakulären Schlag aus und überraschte mit einer Straßenblockade an der Kreuzung Knepper mitten in der Touristensaison. An jenem Sonntagnachmittag legten ein paar Hundert Bürger während ihrer Protestmanifestation eine Stunde lang den Verkehr auf den Hauptadern der Stadt lahm und gaben dabei ihren Sprechern die Gelegenheit, in der Öffentlichkeit noch einmal alle ihre Beschwerden und Forderungen mit Nachdruck vorzutragen.Die Politiker schienen die Botschaft verstanden zu haben. Im kommunalen und nationalen Wahlkampf setzten sich alle Parteien für eine unverzügliche Verbesserung der Verkehrslage in Echternach ein. Der alte und der neugewählte Gemeinderat stimmten diesbezügliche Resolutionen. Zudem wurde durch den glücklichen Zufall einer nachlässigen Verwaltungsprozedur die drohende Gutheißung der Cactus-Planung zurückgenommen und wieder in Frage gestellt. So weit – so gut.
Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Und alle anderen Probleme bleiben ungelöst: Ende 1994 nimmt die Verkehrsbelastung immer noch zu. Weder die große Umgehungsstraße noch der Tunnel unter dem Park stehen auf der fünfjährigen Planungsliste des altneuen Straßenbauministers; die Nordstraße und die Autobahn ins Saarland haben Priorität, für Echternachs Umgehungsstraßen fehlt das Geld in der Staatskasse. Währendessen wälzt sich die Blechlawine immer unheilvoller durch unsere engen Gassen. Um die Bürgerinitiative ist es ruhig geworden. Eine letzte Pressemitteilung der ACT vom Juli.
1994 fordert eher zaghaft, im Interesse der Abteistadt die Verordnung des Verkehrsministers für den obligatorischen Lastwagen-Transit auf die Autobahnen auch auf die Nationalstraße 11 von Echternach nach Luxemburg auszuweiten. Bisher ohne Erfolg! Das alles ist entmutigend. Resignation droht sich breitzumachen. Vielleicht wird irgendwann der Funke der zivilen Aufmüpfigkeit wieder überspringen und die Lunte der demokratischen Protestbewegung noch einmal entfachen, von der nur noch ein paar letzte, längst von Sonne und Regen verblichene Transparente an den Straßenrändern zeugen…
Auszug aus dem « ANNUAIRE DE LA VILLE D’ECHTERNACH 1994 »