1955 – Pol Aschmann
Finden Sie nicht, daß das Fräulein sich in dem Dirndl-Hütchen gar nicht so übel ausnimmt? Unten v. 1. n. r.: Beim Herrichten der Appretur, d. h. eines Kittes, der in der Hauptsache aus Gelatine oder aus Schellack besteht. Er wird dem gepreßten Hut die endgültige Form erhalten. Aus bunten Filzstoffen werden etwa 40 Zentimeter große, quadratische Lappen geschnitten, aus denen die Karnevalhütchen gepreßt werden. Im dritten Arbeitsgang werden die durch die Appretur gezogenen Filzlappen zwischen zwei Gummirollen vom überflüssigen Wasser befreit.
Mas sagt, im Luxemburger Lande werde der Karneval in jenen Ortschaften am eifrigsten gefeiert, in denen früher eine Burg stand, wie etwa in Vianden oder in Fels. Echternacher werden jetzt Einspruch erheben, sie werden sagen, nirgends sei es am Fastnachtssonntag schöner als in der Gegend des Dingstuhls. Vielleicht haben sie nicht unrecht. Sie frönen jedenfalls zwei Passionen, der Springprozession und dem Karneval, jeder zu ihrer Zeit, und beide betreiben sie mit gleichem Eifer. Wahrscheinlich tun sie am Plingstdienstag nicht ohne Grund so reuevoll Buße, sie erinnern sich dessen; was sie bis zum Aschermittwoch angerichtet haben und kriegen es heimlich mit der Angst zu tun. Zum rechten Fastnachtsfeiern gehören der Dinge wenigstens drei. Man nehme eine Hotte voll guter Laune, ein Quäntchen Verrücktheit und eine Prise Verliebtheit, schüttele die Essenzen tüchtig durcheinander, am besten auf einem Echternacher Tanzboden, – und man erhält die prächtigste Karnevalstimmung. Natürlich gehören zum akkuraten Festefeiern noch andere Dinge, wie tanzfreudige Beine, eine schluckkräftige Kehle, ein Magen, wie Vogel Strauß ihn mit sich herumträgt. Das Alter des Fastnachtsjüngers spielt nur eine untergeordnete Rolle, oft geben sich ältere Semester in den Echternacher Lokalen am verrücktesten. Für das Äußere sorgt sowieso jeder nach seinem Geschmack und seinem Portemonnaie. Ob einer als Schornsteinfeger, als Pierrot oder als Negerhäuptling mit einer Mexikanerin, einer Amazone, einer Chasseresse ,die Nächte durchtanzt, bleibt sich gleich, Hauptsache: sie vergessen dabei für Stunden alle Sorgen. Der Kater stellt sich nachher von selber ein. Es sollte nun scheinen, Prinz Karneval, der die Echternacher sehr verwöhnt, habe absichtlich in ihren Mauern eine Fabrik für Fastnachtszubehör aufgeschlagen. Diesmal falsch geraten. Der Zufall hat eher den Echternachern die Fabrik für Karnevalhüte, die einzige des Landes, in die
Stadt gespielt.
Denn, als vor fünfundsechzig Jahren, der Hutfabrikant Huby mit seinen neun Kindernaus der Gegend von Malmédy nach ,der Grenzstadt an der Sauer hinunterzog, dachte er gar nicht daran, ,den Echternachern Karnevalhüte zu fabrizieren, er rechnete vielmehr damit, der Luxemburger Boden nahe der Grenze Deutschlands, mit dem wir ja damals durch den Zollverein verbunden waren, sei wie dazu geschaffen, ein gewinnbringendes Unternehmen aufzurichten. Geirrt hatte sich. der alte Herr nicht, bald erreichte die Jahresproduktion an Stroh- und Wollhüten für Damen und Herren die stattliche Zähl von 500 000 Einheiten. Fünfundsiebzig Arbeiter und an die hundert Heimarbeiterinnen machten die Echternacher Fabrik zu einer der größten des Rheinlandgebietes. In den ‘Gebäuden in der heutigen Duchscherstraße ratterten 45 Nähmaschinen. Bald gehörten sozusagen die ganze „Ieweschtbâch » und die Bindergasse zum Besitz des Hutfabrikanten. Der Krieg von 1914-1918 brachte, dem Unternehtmen eine Menge Schwierigkeiten„ immerhin aber arbeiteten noch 12 Nähmaschinen die ganze Zeit über, bis dann der Zollanschluß mit Deutschland aufgehoben wurde und schließlich die Union Economique zwischen Belgien und Luxemburg zustande kam, die aber der Echternacher Spezialindustrie keinen Ersatz bieten konnte. Zwar trugen die luxemburgischen und belgischen Damen weiterhin Woll- und Strohhüte, die WegeWärter, die Bauern, trugen zur den Arbeiten im Freien Strohhüte und die feinen Herren aufs den Städten hatten Canotiers auf ihren Häuptern, doch niemals erreichte die Hutproduktion wieder nur annähernd die Vorkriegshöhe. Der letzte Krieg mit seinen Folgen, drohte das einst so blühende Unternehmen vollständig auszurotten. Am Kriegsschluß fanden die Gebrüder Arthur und Louis Huby, welche die Faibrik von ihrem. Vater ererbt hatten, zerstörte Gebäude und Einrichtungen vor. Nähmaschinen und Pressen rosteten in einem un unbeschreiblichen Durcheinander auf dem Fabrikhof.
Mit Mühe wunde die Arbeit wieder aufgenommen. Ein anderes Mißgeschick stellte sich. ein. Bis dahin hatten sich Damen, Dämchen und solche, die es werden wollen, ein Vergnügen gemacht, im Jahre wenigstens drei oder vier Hüte bei der Modistin in Auftrag zu geben, sicher zum Verdruß von Ehemännern und dergleichen, zum Wohl aber der Hutfabrikanten. Mit einem Schlage hatten es nun die weiblichen Individuen satt, allmöglichen Krimskram auf dem Kopfe als Hüte durch die heimatlichen Gefilde zu tragen, sie emanzipierten, fühlten sich frei, liefen barhäuptig herum oder banden sich höchstens noch ein buntes Tuch über die Frisur, sehr zum Verdruß aller jener, die nah oder fern etwas mit der Hutfabrikation zu tun hatten, Filzlieferanten, Garniturhesteller. Die Echternacher Fabrik sah sich gezwungen den Betrieb vollständig umzustellen. Nachdem während den fünf Kriegsjahren alle öffentlichen Tanzbe-lustigungen verboten waren u. die Luxemburger eben nicht viel Freude an der fremden Besetzung fanden, kamenn sie nun mit umso mehr Begeisterung auf die alten, Faschingsbräuche zurück. Fastnacht wurde niemals zuvor mit solcher Begeisterung gefeiert, als in den, ersten Jähren nach dem Krieg. Dies wurde zur Rettung der Echternacher Hutfabrik, in bescheidenem Maße begannen die Gebrüder Huby mit der Herstellung von Fantasiehüten. Vollbetrieb herrscht aber nur während des Winters, in den Monaten Oktober bis Februar. Tausende von ulkigen Fastnachtshüten verlassen dann die Pressen und Nähmaschinen in der Ieweschtbâch, mehr als hundert verschiedene Modelle stehen dem amüsierfreudigen Publikum zur Auswahl. Während den übrigen Monaten werden neue Modelle erfunden, vor allem aber stellt das Unternehmen dann bunte Touristenhütchen und Mützen her. Gäbe es nicht den alten Erbfeind, den Einfuhrzoll nach den Nachbarstaaten, so könnten wohl die Echternacher Hütchen die Reise in die weite Welt antreten. Trotz allem aber zählt die Fabrik, die nun mit sieben Leuten arbeitet, feste Kunden im Ausland, besonders in Belgien, in Holland und sogar die Pariser können in ihrer Stadt in zwölf Geschäften Luxemburger Ware kaufen. Bester Abnehmer aber bleiben einige Geschäfte in der Luxemburger Hauptstadt.